4 Fragen an Gastdirigentin Catherine Larsen-Maguire*:
1. Liebe Frau Larsen-Maguire, Sie arbeiten bereits zum zweiten Mal als Gastdirigentin mit dem MHL-Sinfonieorchester, diesmal anl?sslich des Brahms-Festivals unter dem Motto ?Rausch?. Was bringt Sie in Ekstase?
— Musik. Vor allem das Musikmachen. Sowohl im Konzertals auch bei den Proben. In einem Konzert entstehen immer dann die tollsten Sachen, wenn man kurz vor dem Kontrollverlust steht. Wobei man immer ein bisschen Kontrolle behalten sollte. Freier sind die Proben, in denen viel ausprobiert werden kann: "Diese Stelle k?nnte viel leiser, diese viel extremer sein." "Hier schneller und dort noch komischer in der Artikulation." So eine Arbeitsatmosph?re entsteht ganz besonders gut mit jungen Musikerinnen und Musikern. Sie sind experimentierfreudig und offen für Neues. Genau das m?chte ich nutzen. Kommt dann noch die Nervosit?t, die ich als gute Energie betrachte, unmittelbar vor dem Konzert hinzu, werden auf der Bühne besondere Kr?fte freigesetzt. Wenn alles gelungen ist, m?chte man den euphorischen Zustand so lange wie m?glich erhalten. Deshalb geht man anschlie?end auch feiern. Ich bin übrigens überzeugt davon, dass es weniger auf die Art der Musik ankommt. Viel entscheidender ist, was auf der Bühne passiert und wie die Beteiligten interagieren, wie sie zusammen musizieren, wie sie untereinander kommunizieren. Es geht um diese besondere Energie zwischen dem Werk, seinem Komponisten, uns Ausführenden und dem Publikum.
2. Was am Programm des Sinfoniekonzerts ist berauschend?
— Jedes Stück versetzt uns in einen anderen Rauschzustand. Wir beginnen mit Ravels La Valse, der Vertonung von Rausch schlechthin. Das Werk f?ngt relativ langsam und sehr leise an. Wir bekommen lediglich eine Ahnung von dem, was passieren wird. Die Deutungen dazu gehen weit auseinander: Ravel hat angeblich gesagt, dass es sich dabei überhaupt nicht um einen Todestanz und das Ende der Zivilisation nach dem Ersten Weltkrieg handele. Für mich aber, und ich glaube für viele andere auch, ist es sehr schwer, nicht ein bisschen davon herauszuh?ren. 1855 soll dieses Stück spielen. Die zivilisierten Wiener T?nze werden immer wilder. Die Farben, die dazukommen, sind grotesk, und am Ende hat man sich quasi doch zu Tode getanzt.
3. Wie n?hern Sie sich der komplexen Partitur von Berios ?Sinfonia? an?
— Es dauert schon eine Weile, bis man alle Bezüge in der Sinfonia gefunden hat. Zitate aus La Valse und dem Rosenkavalier verweisen auf die weiteren Programmpunkte des Sinfoniekonzerts. Auch Mahlers 2. Sinfonie zieht sich durch das ganze Werk hindurch. Viele weitere Zitate lassen sich fi nden, und ich will sie wirklich alle finden. Denn da gibt es bestimmt noch mehr zu entdecken, als in Analysen aufgelistet ist. Mini-Zitate. Ein Staccato-Punkt auf einer halben Note wom?glich. Diese Musik ist derart vielschichtig und verflochten, dass sie beim ersten H?ren chaotisch wirkt. Wir aber werden uns um Transparenz bemühen. Wir werden beispielsweise versuchen, bei einem 英亚体育app_英亚体育-【官方认证】-Zitat für zwei Sekunden einen charakteristischen Klang zu erzeugen. Das wird aufgrund der Komplexit?t wahrscheinlich kaum jemand h?ren, aber es macht Spa?, die Details in den Proben herauszuarbeiten. Das Publikum muss all diese Bezüge nicht sofort erfassen. Vielmehr sollte es diese mehrdimensionale Musik einfach auf sich wirken lassen.
4. Welche Hochgefühle finden wir in der ?Rosenkavalier-Suite? von Strauss?
— Einen puren Liebesrausch, einen, wie ihn nur Richard Strauss komponieren konnte. Diese Walzerfolge ist voller Energie. Zugleich verbinde ich auch sehr viel Pers?nliches mit dem Rosenkavalier. Er war die erste Oper, die ich als Fagottistin gespielt habe. Meine absolute Lieblingsoper. W?hrend ich im Orchestergraben der
Komischen Oper in Berlin sa?, sang mein Mann auf der Bühne den Baron Ochs. Und als ich begonnen hatte, zu dirigieren, assistierte ich dort einige Jahre sp?ter Kirill Petrenko bei seiner Einstudierung des Rosenkavaliers. Ich durfte einige szenische Proben dirigieren, was für mich sehr inspirierend war. W?hrend der Regisseur mit den S?ngern arbeitete, lernte ich die Musik besser kennen.
* Das Interview wurde im Februar 2024 geführt. Leider musste Catherine Larsen-Maguire ihre Teilnahme kurzfristig absagen. Stattdessen dirigiert Christopher Schumann (Stuttgart).
3 Fragen an den Oboisten Sergios Sánchez:
1. Lieber Sergio Sánchez, Sie haben an der MHL bei Prof. Diethelm Jonas Oboe studiert. Seit dem Wintersemester 2023/24 sind Sie sein Nachfolger. Beim Brahms-Festival erleben wir Sie unter anderem als Solisten beim Sinfoniekonzert. Wie fühlt es sich an, vor Ihren neuen Kolleginnen und Kollegen aufzutreten?
— Spielen sollte man immer so gut wie m?glich, mit dem besten Gewissen und der besten Einstellung der Musik gegenüber. Egal, wer einem zuh?rt. Zugegeben: Wenn Diethelm Jonas im Publikum sitzt, dann atme ich schon erst einmal tief durch. Vor allem aber bin ich dankbar dafür, spielen zu dürfen. Und statt mich zu fragen, was die Kolleginnen und Kollegen von meinem Spiel halten, leitet mich vielmehr die Frage, wie ich diejenigen Zuh?renden erreiche, die kaum einen Bezug zur Musik haben.
2. Wie kann ich sie von dem überzeugen, was ich mache? Das ist die Verantwortung eines Interpreten. Haben Sie sich schon einmal in einen Rausch gespielt?
— Ja, bei Berios Sequenza VII für Oboe solo komme ich schnell in eine Art Trance. Das Besondere daran ist die spezielle Notation: Die ersten drei Takte sind ganz frei zu spielen. Darauf folgt eine rhythmisch exakt notierte Musik. Der Wechsel von gro?er Freiheit und vorgegebener Rhythmik, der sich durch das ganze Werk zieht, führt dazu, dass ich irgendwann mental ?weg? bin. ?hnlich geht es mir bei der Sonate für Oboe solo von Heinz Holliger. Dieses Stück ist unglaublich virtuos komponiert. Sp?testens im vierten Satz h?re ich auf, nachzudenken, weil ich sonst rauskomme.
3. Passiert das nur im Konzert oder auch beim ?ben?
— Das kommt auf jeden Fall auch beim ?ben vor. Denn im Konzert produziere ich nur nach, was ich geübt habe. Bei der Oboe besteht immer die Gefahr, dass irgendwas passiert – zum Beispiel ein kieksender Ton, ein Eintrüben der Intonation. Deshalb trainiere ich auch, gut auf Unerwartetes reagieren zu k?nnen.
Zum ausführlichen Interview geht es hier.